Ein Gen: Richter über Leben und Tod?verfasst am 27.02.2012 von Carmen Schulz

“Gerinnungshemmer: Arzneimittelbehörde meldet hunderte Todesfälle“ titelte unlängst der Spiegel und berichtete über eine Häufung von Todesfällen nach der Einnahme von Dabigatran (Handelsname Pradaxa). Die Diskussionen im Spiegelforum  gingen heiß her und irgendwie kommt schon ein ungutes Bauchgefühl auf, wenn man weiß, dass in der Familie bereits Gerinnungshemmer verschrieben wurden.

Einer unserer Kunden ist im Bereich der Pharmakogenetik tätig. Kurzerhand hake ich einfach nach, ob ein Zusammenhang zwischen Blutgerinnungshemmern und der genetischen Disposition vorliegt. Wenn man das wüsste, könnte man die unerwünschten Arzneimittelwirkungen von Gerinnungshemmern ja präventiv reduzieren…

Zwei bekannte Verdächtige: CYP2C9 und VKORC

Und in der Tat! Bestimmte Genvarianten können dazu führen, dass Medikamente aus der Klasse der Blutgerinnungshemmer vom Typ der Cumarinderivate unterschiedlich wirken. Zu diesen Medikamenten gehören Warfarin (Coumadin®), Phenprocoumon (Marcumar®) und Acenocoumarol. AHA! Da gibt es also einen Zusammenhang.

Zwei Genvarianten, die beispielsweise näher angeschaut werden müssen, sind CYP2C9 und VKORC. Wer Varianten im VKORC1-Gen hat, weist eine erhöhte Sensitivität gegenüber Phenprocoumon auf. Das heißt, dass schon bei der Einnahme einer geringen Dosis dieses Wirkstoffes eine Wirkung eintritt. Bei Menschen, die diese Genvariante nicht haben, ist das nicht der Fall. Bei „normaler“ Dosierung kann dies folglich zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen führen – beispielsweise zum Auftreten von inneren Blutungen. Das Wissen um die genetische Variante bedeutet aber nicht, dass man auf den Gerinnungshemmer verzichten muss, sondern nur, dass man die Dosierung eben individuell anpassen muss.

Übrigens: Für Warfarin weist die amerikanische Zulassungsbehörde für Lebensmittel und Medikamente (FDA) sogar explizit auf einen Zusammenhang zwischen der genetischen Disposition und der Verstoffwechselung des Wirkstoffes hin.

Und nun?

Die Fragen, ob die Todesfälle mit einer genetischen Untersuchung hätten verhindert werden können, ob die Todesfälle im tatsächlichen Zusammenhang mit der Einname von Dabigatran standen oder ob es einfach nur Schicksal war, werden wir nicht klären können. Mich persönlich beruhigt es jedoch zu wissen, dass man durch das Wissen um seinen genetischen Bauplan gewisse medikamentöse Nebenwirkungen umgehen kann.

 

 

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